Nachfolge = Nachhaltig?

Am 25.09.2020 ist der Nachfolgemonitor 2020 erschienen. Das Special dieser Ausgabe geht der Frage nach, wie es um die Nachhaltigkeit von Nachfolgen bestellt ist. Auch in diesem Blog-Beitrag werfen wir darauf einen kurzen Blick.

Nachhaltigkeit ist nicht gleich Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit wird regelmäßig durch die drei Säulen 

  • ökologische, 
  • ökonomische und 
  • soziale Nachhaltigkeit 

definiert. Der Nachfolgemonitor gibt vor allem Einblick in die ökonomische Nachhaltigkeit von Unternehmensnachfolgen, an dieser Stelle sollen jedoch auch die anderen Aspekte angesprochen werden.

Nachfolge und ökologische Nachhaltigkeit

Der Nachfolgemonitor basiert im Kern auf den Daten, den die Bürgschaftsbanken im Rahmen ihrer Unterstützung von Übernehmenden erfassen - das sind in erster Linie Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens sowie über die Mittelherkunft und die Mittelverwendung im Rahmen der Finanzierung. Aussagen über ökologische Aspekte lassen diese Daten daher kaum zu.

Einige Überlegungen können dennoch angestellt werden. Dass die Frage, ob Nachfolgen oder Neugründungen ökologisch nachhaltiger sind, nicht ebenso einfach beantwortet werden kann, wie sie gestellt ist, dürfte jedem klar sein. Hier spielen natürlich insbesondere die Branche und das Verhalten nach der Übernahme bzw. Gründung eine wesentliche Rolle. Reduziert man allerdings die Frage auf die Aspekte, die sich als relevante Unterschiede zwischen den beiden Formen der Existenzgründung zeigen, lassen sich evtl. doch einige Überlegungen daraus ableiten.

Das Rad nicht neu erfinden

Einer der Vorteile, der häufig bei dem Vergleich von Nachfolge und Neugründung genannt wird, ist der Umstand, dass man der Ãœbernahme einer Unternehmung “das Rad nicht erfinden muss”, man also mit einem Produktsortiment, einem Bestand an Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Lieferant*innen starten oder besser weiterarbeiten kann. Das wird zwar meist auf die finanzielle Seite bezogen, äußert sich aber auch im Ressourcenverbrauch. 

Speziell der Energieverbrauch, der bei neu gegründeten Unternehmen der “Reproduktion” des Setups eines vergleichbaren Nachfolgeunternehmens entsteht, kann unter Umständen erheblich sein. Dazu müssten all die kWh Strom, Liter Benzin und Kerosin gezählt werden, die über oft mehrere Jahre hinweg verbraucht werden, um einen äquivalenten Stamm an Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Lieferant*innen zu gewinnen, über den das Unternehmen, in dem eine Nachfolge umgesetzt wurde, bereits von vornherein verfügt.

Wieviel an Umweltbelastung könnte allein durch weniger Verkehr eingespart werden, wenn nicht ständig neue Kundenstämme aufgebaut werden müssten?

Neu = effizient?

Bei null zu starten hat aber vielleicht auch Vorteile; zum Beispiel den, nicht über einen alten Maschinenpark zu verfügen, der noch nicht ganz abgeschrieben ist und - da ja im Rahmen des Unternehmenskaufpreises bezahlt - auch noch verdient werden muss. In etlichen technischen Bereichen steigt die Energieeffizienz vieler Geräte und Anlagen mit jeder neuen Generation, durch die verstärkte Diskussion um nachhaltige Lösungen konzentrieren sich Innovationen zunehmend auf dieses Gebiet. 

Ein neu gegründetes Unternehmen startet daher nicht mit “Altlasten”, sondern hat die Möglichkeit, durch die Erstinvestition die State-of-the-Art-Lösung in puncto Energieeffizienz zu erwerben. Bei Nachfolgen ist dies besonders dann zu beobachten, wenn es einen Investitionsstau gab, der nach der Ãœbernahme behoben wird. (Ein Indiz für diesen Aspekt ist übrigens durch die Entwicklung des Anlagevermögens vor und nach der Nachfolge durchaus aus den Bilanzen ablesbar, s.u.)

Neue und alte Geschäftsmodelle

Die Neugründung von Unternehmen geht aktuell auch häufig mit der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle einher. Etliche Start Ups verfolgen von Beginn an das Ziel, nachhaltige und ökologisch sinnvolle Lösungen zu vermarkten, jedoch nicht alle. Es dürfte eine ebenfalls große Anzahl an Neugründungen geben, die - speziell durch die Möglichkeiten der Digitalisierung inspiriert - ökologisch eher fragwürdige Leistungen anbieten. Hier sei nur beispielhaft auf das stark gestiegene Verkehrsaufkommen verwiesen, an dem diverse Lieferdienste und Dropshipping-Angebote nicht unbeteiligt sein dürften.

Generell ist also die Frage eher, ob der ökologischen Nachhaltigkeit eher ein evolutionärer Ansatz (wie bei Nachfolgen: kontinuierliche Verbesserung des bestehenden Geschäftsmodells und Leistungsangebots) oder ein revolutionärer Ansatz (wie bei Neugründungen: grüne-Wiese-Konzept mit potenziell radikaler Neugestaltung des Geschäftsmodells) nützlich ist. Es ist zu vermuten, dass es wieder einmal “darauf ankommt”, die Parallelen zur Prozessoptimierung (KVP vs. BPR) sind jedoch interessant und sollten näher untersucht werden.

Nachfolge und soziale Nachhaltigkeit

Zu der Frage, ob und inwiefern sich Nachfolgen als sozial nachhaltig darstellen, ist auf die Auswirkungen auf die in diesem Zusammenhang relevanten Stakeholder abzustellen. I.d.R. werden hierunter die Mitarbeiter*innen im eigenen Unternehmen und bei den Lieferanten verstanden. Da die Bürgschaftsbanken auch erheben, wie viele bestehende Arbeitsplätze durch die Nachfolge gesichert werden, und wie viele Stellen nach der Übernahme darüber hinaus noch neu geschaffen werden, lassen sich hierzu zumindest teilweise Aussagen treffen.

Gesicherte und neue Arbeitsplätze

Auf Basis der Nachfolgen, die von einer Bürgschaftsbank unterstützt worden ist, wurden im Nachfolgemonitor 2020 die gesicherten und die neuen Arbeitsplätze einander gegenübergestellt, um einen Eindruck von der Verteilung in Deutschland zu vermitteln. Dabei wird natürlich einerseits deutlich, dass die Bürgschaftsbanken in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen besonders aktiv sind und einen großen Teil des Datenpools beisteuern, aber andererseits auch, dass es zum Teil große Unterschiede in den Quote neuer zu gesicherten Arbeitsplätzen gibt (vgl. z.B. Brandenburg im Vergleich zu Bayern).

Sicherung mittelständischer Strukturen

Unternehmensnachfolgen sichern die Arbeitsplätze in den mittelständischen Unternehmen. Den Mitarbeiter*innen bleibt somit die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erspart. Im Nachfolgemonitor 2019 (NM19) wurde auch bereits dargestellt, dass die Bürgschaftsbanken besonders Nachfolgen im Bereich der Kleinst- und Kleinunternehmen unterstützen, die mit Abstand die Mehrheit der deutschen Unternehmen ausmachen. In der Auswertung des Nachfolgemonitors 2020 (NM20) zeigt sich nun allerdings auch ein Trend hin zur Übernahme von größeren Unternehmen - für die Übernehmenden wahrscheinlich u.a. ein Weg, die Risiken einer zu starken Inhaberabhängigkeit zu reduzieren.

Unterstützung weniger zentraler Regionen

Durch erfolgreich realisierte Nachfolgen werden die Leistung, die Ertragskraft und das Einkommen in der Region erhalten. Das ist besonders für solche Regionen von besonderem Interesse, die mit den Folgen der zu beobachtenden Urbanisierung zu kämpfen haben. Während Start Ups sich besonders gerne in den Hotspots - Berlin, Hamburg, München - ansiedeln, wo sie eine auf sie eingestellte Infrastruktur vorfinden, finden Nachfolgen noch überproportional häufig in den weniger zentralen Lagen statt, wie der Nachfolgemonitor 2020 zeigt.

Nachfolge und ökonomische Nachhaltigkeit

Der Nachfolgemonitor 2020 selbst geht vertieft auf die ökonomische Nachhaltigkeit ein, vgl. dazu insbesondere S. 34 ff. Vor dem Hintergrund der regionalen Wirtschaftskraft zeigt sich, dass sich dieses bei Unternehmensnachfolgen durchschnittlich übertragene EBIT tendenziell auf die Bundesländer mit der größten Wirtschaftskraft konzentriert. 

Es wird jedoch deutlich, dass das als Indikator genutzte EBIT häufig nach der Übernahme sinkt. Die Erhöhung der Abschreibungen durch Investitionen zur Beseitigung eines Investitionsstaus im Kontext der Nachfolge (s.o.) vermag den Rückgang allein nicht zu erklären.

Conclusion

Rein auf die relevanten Unterschiede zwischen Nachfolge und Neugründung bezogen lassen sich also einige Unterschiede hinsichtlich der Nachhaltigkeit der beiden Wege der Existenzgründung feststellen. 

Ein letzter Aspekt soll nicht unerwähnt bleiben: Viele mit Risikokapital finanzierte Start Ups verfolgen von Beginn an eine Exit-Strategie. Der somit gewollte Gang an die Börse oder Verkauf an einen Private Equity Investor oder einen strategischen Käufer (i.d.R. = großes Unternehmen) machen deutlich, dass es sich aus Sicht des Unternehmertums nicht um nachhaltige Gründungen handelt, denn diese Unternehmen werden im Erfolgsfall nicht zum neuen Mittelstand, sondern zu neuen Konzerntöchtern.

Feedback

Haben Sie Anmerkungen oder Hinweise? Hat Ihnen der Artikel vielleicht etwas geholfen? Ich freue mich über Ihr Feedback, auch über Ideen, was wir noch im Nachfolgekontext untersuchen können!

Vielleicht finden Sie auch die Lektüre des Nachfolgemonitors interessant, Sie finden alle Downloads frei verfügbar unter https://www.nachfolgemonitor.de/downloads/ 

Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, würde ich mich freuen, wenn Sie ihn weiterempfehlen. 

Mit besten Grüßen
Holger Wassermann


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