Corona-Krise und Nachfolge

Liebe Leserinnen und Leser,

es freut mich, Sie hier mit diesem ersten Beitrag im Blog zum Nachfolgemonitor begrüßen zu dürfen! Meine Kollegen und ich möchten hier in Zukunft gerne weitere Ergebnisse unserer Untersuchungen zur Unternehmensnachfolge vorstellen und mit Ihnen über die Bedeutung des Mittelstands und der Unternehmensnachfolge ins Gespräch kommen. Deshalb freuen wir uns über Ihre Kommentare hier im Blog oder per E-Mail an blog@nachfolgemonitor.de.

Corona-Krise

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat recht schlagartig eine Krise von einem gewaltigen Ausmaß ausgelöst. Aktuell stehen die Akutmaßnahmen im Vordergrund, um das Überleben und die Versorgung der Menschen sicherzustellen. Unsere Partner beim Nachfolgemonitor, die Deutschen Bürgschaftsbanken, spielen für die Unterstützung der Unternehmen dabei eine wichtige Rolle und haben diese noch einmal erweitert (s. VDB Pressemitteilung vom 13.03.2020).

Allmählich richtet sich der Blick jedoch auch schon auf die "Zeit danach", auch wenn wir aktuell noch gar nicht wissen, wann das sein wird. So wird zum Beispiel in einem Beitrag im Handelsblatt zur Situation der mittelständisch geprägten Branche der Autohändler die Befürchtung geäußert, dass unter Umständen bis zur Hälfte der VW- und Audi-Autohäuser endgültig werden schließen müssen.

Besonders stark von den derzeitigen Umsatzeinbußen ist natürlich auch die Gastronomie betroffen, die ebenfalls durch Kleinst- und Kleinunternehmen gekennzeichnet ist. Wie in vielen anderen Branchen besteht hier das Problem darin, dass der Umsatz, der in einem Monat ausfällt, später nicht nachgeholt werden kann, denn nach der Krise gehen die Kunden nicht doppelt so oft essen, und sie lassen sich auch nicht doppelt so oft wie vorher die Haare schneiden. Eine kleine Hilfe können hier Gutscheinaktionen darstellen, wie es zum Beispiel ein Berliner Hilfsprogramm vorschlägt.

Nachfolge: Die Situation bis vor der Corona-Krise

Wie sieht es aber bei unserem Thema Unternehmensnachfolge aus? Im Nachfolgemonitor 2019 hatten wir gewarnt, dass in Deutschland innerhalb weniger Jahre extrem viele Unternehmer/innen eine Lösung für die Zukunft ihres Betriebs finden müssen. Wir hatten hier aufgrund des demografischen Wandels und des hohen Alters vieler Unternehmer/innen mit einem akuten Bedarf bei rund 320.000 Unternehmen gerechnet. Für die neuen Bundesländer hatten wir ferner einen wesentlich stärkeren Anstieg der Fälle erwartet (vgl. Nachfolgemonitor 2019 Sonderausgabe Sachsen-Anhalt).

Nachfolgemonitor 2019 Sonderausgabe Sachsen-Anhalt, Abb. 7

Gleichzeitig mit der großen Anzahl an potenziellen Übergebenden müssen wir aber eine immer weiter abnehmende Anzahl an Übernehmenden beobachten. Das führte bereits bisher dazu, dass viele Unternehmer/innen erhebliche Schwierigkeiten haben, überhaupt jemanden zu finden, der ernsthaftes Interesse an einer Übernahme des Betriebs zeigte.

Besonders Unternehmen mit geringer Marge und Eigenkapitaldecke, Umsatzstagnation oder gar -rückgang, großer Inhaberabhängigkeit und geringer Innovationskraft waren schon zuvor nur noch schwer zu veräußern oder zu übertragen. Aber was folgt jetzt?

Was ändert die Corona-Krise für die Nachfolge?

Es ist natürlich noch viel zu früh, um hier definitive Aussagen machen zu können. Auch unser Nachfolgemonitor 2020 wird die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Unternehmensnachfolgen noch nicht zeigen, da er die Daten bis 31.12.2019 abbilden wird. Sobald die neue Ausgabe verfügbar ist, informieren wir Sie natürlich auch hier mit einem Beitrag darüber. Wenn Sie die Veröffentlichung nicht versäumen wollen, können Sie einfach diesen Nachfolgemonitor-Blog abonnieren.

Dennoch möchte ich gerne ein paar Gedanken zu den Auswirkungen, die die Corona-Krise auf die Unternehmensnachfolgen haben könnte, mit Ihnen teilen. Dazu möchte ich gerne einige Aussagen formulieren, die sich kritisch diskutieren lassen. Es würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre Meinung dazu mitteilen würden.

"Nachfolgewelle" kommt jetzt sofort und nicht in 2-3 Jahren

"Unternehmen, die bisher schon kaum zu verkaufen waren, werden es jetzt erst recht nicht mehr schaffen."
Eine Vielzahl von Unternehmerinnen und Unternehmern, die das Nachfolgethema in den letzten Jahren guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen aus den verschiedensten Gründen immer wieder vor sich hergeschoben haben, stehen jetzt vor einer einfachen Frage: Weitermachen oder nicht?

Da auch diese Unternehmen von der Krise betroffen sind, stellt sich hier in besonderer Weise die Frage, welche Hilfsmaßnahmen überhaupt sinnvoll sind und in Anspruch genommen werden. Hilfskredite sind für solche Unternehmen konzipiert, die nach der Krise ihre Geschäftstätigkeit wieder aufnehmen und über einen gewissen - vermutlich längeren - Zeitraum die Darlehen wieder tilgen. Diese Zeit haben jedoch Unternehmer/innen ohne Nachfolgelösung nicht mehr. Somit kommt für viele Unternehmen die Inanspruchnahme von Angeboten der Bürgschaftsbanken und der KfW nicht in Frage.

Sind keine ausreichenden Liquiditätsreserve vorhanden, wie es bei den meisten mittelständischen Unternehmen der Fall sein dürfte, bleibt den Unternehmer/innen jetzt also nur noch eine schnelle Übertragung des Unternehmens oder die Liquidation bzw. Insolvenz. Insofern ist auch der Begriff der "Nachfolgewelle" falsch, impliziert er doch, dass Nachfolgen in großer Anzahl zustande kommen. Vielmehr müsste von einer Schließungswelle gesprochen werden.

Durch die Altersstruktur der deutschen Unternehmerschaft sehen wir zusätzlich das Problem, dass viele Unternehmer/innen der Risikogruppe angehören. Wir hoffen sehr darauf, dass sich die Anzahl der Unternehmensschließungen aufgrund von Todesfällen bei den Inhaberinnen und Inhabern in engen Grenzen halten wird.

Krise gut für wiedererwachendes Unternehmertum

"Die Anzahl der Gründungen nimmt in Krisenzeiten immer zu."
In Krisenzeiten nimmt die Arbeitslosigkeit zu. Schlechtere Bedingungen am Arbeitsmarkt führten bisher regelmäßig dazu, dass sich mehr Menschen selbständig gemacht haben.

Das könnte auch jetzt der Fall sein. Somit könnte die Corona-Krise prinzipiell zu einer Zunahme der Nachfolge-Gründer/innen führen. Allerdings ist dann immer noch fraglich, ob das alte Geschäftsmodell des Unternehmens in der Zukunft nach der Krise immer noch funktionieren wird - denn auch hier lässt sich gerade durch die aktuellen Beschränkungen beobachten, dass sich Deutschland auf einer bisher nicht gekannten Bandbreite mit den Möglichkeiten der Digitalisierung im Allgemeinen und der Remote-Arbeit im Home Office im Speziellen auseinandersetzt und lernt.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einige Vorträge, die ich in den letzten zwei Jahren zu dem Zusammenhang zwischen Unternehmenswert und Digitalisierung gehalten habe - ich hätte nicht gedacht, dass es so bald so drastisch demonstriert werden würde.

Krise ist Chance für Ausstieg mit Wahren des Gesichts

"Durch die Krise verliere ich nicht mein Gesicht, wenn ich jetzt schließe."
Die Unternehmensnachfolge ist für die Unternehmer/innen in aller Regel weit mehr als ein Geschäft, es ist eine schwierige psychische Situation. Meist spielt der Kaufpreis die wichtigste Rolle, sondern die Frage nach dem, was danach kommt - seien es die eigenen Aufgaben und Ziele, seien es das Ansehen und der soziale Status, den man in seiner Gemeinde, seinem Verein oder am Stammtisch genießt.

Deutschland geht mit seinen Unternehmern, die eine Insolvenz "hingelegt" haben, nicht freundlich um. So kommt zu der eigenen Angst vor einem Versagen auch die soziale Bestrafung hinzu. In so einer Situation bietet die Corona-Krise eine willkommene Erklärung, sowohl für sich selbst als auch für die Umwelt. Für die Unternehmer/innen hätte das oftmals sogar den positiven Effekt, dass sie von ihren Sorgen befreit wären, sich um die Nachfolge kümmern zu müssen - einer Sorge, die sie nur allzu oft jahrelang nicht einschlafen und morgens grübeln lässt.

Schlussbemerkung

Ich hoffe, ich habe den Teufel nicht an die Wand gemalt und bin wieder einmal viel zu pessimistisch. Ich hoffe auch, dass wir alle gemeinsam die Corona-Krise gut überstehen.

Es würde mich sehr freuen, wenn ich Ihnen ein paar Impulse geben konnte, und würde mich sehr über Ihr Feedback freuen, gerne über die Kommentarfunktion des Blogs oder per E-Mail an blog@nachfolgemonitor.de. Schreiben Sie mir auch gerne, wenn Sie weitere Anregungen, Ideen oder Kritik haben.

Bleiben Sie gesund!

Mit herzlichen Grüßen,
Ihr
Holger Wassermann

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